Zur Verjährung von Schadensersatzansprüchen gegen einen Arzt

Oberlandesgericht Koblenz, Beschluss vom 24.02.2015 – 5 U 1320/14

Zur Verjährung von Schadensersatzansprüchen gegen einen Arzt

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 15.10.2014 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Dieses Urteil und der hiesige Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die gegen ihn gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht von der Gegenseite Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags gestellt wird.

Gründe

Die Entscheidung ergeht gemäß §§ 522 Abs. 2, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Ihre sachlichen Grundlagen ergeben sich aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils, dem Senatsbeschluss vom 28.01.2015. Dort hat der Senat mitgeteilt:

„1. Der Kläger erlitt am 23.02.2007 multiple Verletzungen, als eine Mauer auf ihn einstürzte. Er wurde deshalb sogleich in das Krankenhaus der Beklagten zu 1. eingeliefert, in dem die Beklagten zu 2. bis 8. ärztlich tätig sind. Es kam zur operativen Versorgung einer linksseitigen pertrochantären Femurfraktur unter Einbringung eines Marknagels.

Als der Kläger nach dem Eingriff wieder mobilisiert war, klagte er über Schmerzen im rechten Knie. Ein dieserhalb am 8.03.2007 gefertigtes MRT offenbarte dort knöcherne und – namentlich im Kreuzbandbereich – ligamentäre Läsionen. Man legte zur Stabilisierung eine Schiene an und entließ den Kläger dann aus der stationären Behandlung, an die sich wenig später andernorts ein Rehabilitationsaufenthalt anschloss. Nach dessen Ende wurde am 19.04.2007 bei einer Wiedervorstellung des Klägers im Krankenhaus der Beklagten zu 1. eine achsgerechte und feste Stellung des frakturierten linken Femurs diagnostiziert.

Instabilitäten des rechten Knies führten am 31.08.2007 zu einer anderweitigen stationären Aufnahme. Der Kläger erhielt nunmehr eine hintere Kreuzbandplastik; außerdem wurde das Innenband aufgefrischt. Drei Monate später wurde ergänzend eine vordere Kreuzbandplastik eingesetzt.

Nachdem man am 5.03.2008 auf Seiten der Beklagten bei einem erneuten Kontrolltermin von einer grundsätzlich befriedigenden Ausheilung der Femurfraktur ausgegangen war, wurde am 31.03.2008 an anderer Stelle der Befund einer „Pseudarthrose des proximalen Femur nach operativer Versorgung“ erhoben, die klinisch von einer Außenrotationsfeststellung des linken Oberschenkels begleitet war. Bei einem Revisionseingriff wurden der Marknagel entfernt und eine Platte implantiert. Am 12.01.2009 folgte ein zweiter Revisionseingriff nach. Schließlich kam es am 24.06.2010 nach der Diagnosestellung einer „sekundären Coxarthrose“ zur Implantation einer Hüftprothese.

Der Kläger hat den Beklagten vorgeworfen, die Schäden im rechten Knie zu spät erkannt und dann fehlerhaft nicht operativ versorgt zu haben. Außerdem seien die linksseitige Femurfraktur unsachgemäß operiert und der Heilungsverlauf falsch beurteilt worden. Das habe einen „Behandlungsmarathon“ nach sich gezogen und seine Gang- und Standsicherheit anhaltend stark eingeschränkt. Vor diesem Hintergrund hat der Kläger im vorliegenden Rechtsstreit ein mit mindestens 50.000 € zu bezifferndes Schmerzensgeld geltend gemacht und die Feststellung der weitergehenden Ersatzhaftung der Beklagten erstrebt.

Die Beklagte zu 1. hatte den Prozessbevollmächtigten des Klägers bereits mit Schreiben vom 4.09.2008 ihre Krankendokumentation übersandt. Später verzichtete der Haftpflichtversicherer der Beklagten mehrfach auf die Einrede der Verjährung, soweit nicht schon Verjährung eingetreten sei, letztmals mit Wirkung bis zum 30.06.2013.

Das Landgericht hat die Klage, die am 28.06.2013 eingereicht, aber, weil der am 1.07.2013 angeforderte Gerichtskostenvorschuss erst am 2.10.2013 eingezahlt wurde, lediglich am 4.10.2013 zugestellt worden ist, auf die Verjährungseinrede der Beklagten hin abgewiesen. Aus seiner Sicht lief die dreijährige Frist des § 199 Abs. 1 BGB zum Ende des Jahres 2008 an; denn der Kläger habe seinerzeit über alle relevanten Behandlungsunterlagen verfügt, die er eigens im Hinblick auf eine Prüfung der Verantwortlichkeit der Beklagten habe anfordern lassen. Der Verzicht deren Haftpflichtversicherers auf die Erhebung der Verjährungseinrede habe dann zwar ermöglicht, mit der Klageerhebung bis zur Mitte des Jahres 2013 zuzuwarten, aber nicht die Möglichkeit eröffnet, die Dinge so zögerlich wie geschehen zu behandeln.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger in Erneuerung seines erstinstanzlichen Begehrens mit der Berufung. Seiner Auffassung nach offenbarte sich aus den im Jahr 2008 überlassenen Behandlungsunterlagen weder ein ärztlicher Fehler noch eine darauf beruhende Schadenskausalität. Auch aufgrund des negativen Behandlungsergebnisses habe sich ein entsprechender Schluss nicht aufgedrängt.

2. Damit vermag der Kläger nicht durchzudringen. Dem Klageverlangen steht die von den Beklagten erhobene Verjährungseinrede (§§ 195, 199 Abs. 1, 214 Abs. 1 BGB) entgegen, weil der Kläger spätestens im Jahr 2009 von den Umständen, die die geltend gemachten Ansprüche begründeten, und der daraus abgeleiteten Schadensverantwortlichkeit der Beklagten wusste oder jedenfalls ohne grobe Fahrlässigkeit hätte wissen müssen.

Der Kläger hat seine Prozessvertreter 2008 mit Recherchen betraut, um eine mögliche Haftung der Beklagten zu prüfen. Dazu forderten diese die einschlägige Behandlungsdokumentation an, die ihnen daraufhin zugeleitet wurde. Inwieweit der Kläger daneben selbst Zugang zu den übermittelten Unterlagen hatte, ist verjährungsrechtlich ohne Belang, weil er sich die Erkenntnismöglichkeiten seiner zur Anspruchsergründung herangezogenen Bevollmächtigten zurechnen lassen muss (Ellenberger in Palandt, BGB, 74. Aufl., § 199 Rn. 24).

Allerdings ist der Berufung darin zuzustimmen, dass sich allein aus den Behandlungsunterlagen noch kein augenfälliger Hinweis auf eine Verantwortlichkeit der Beklagen ergab. Indessen beschränkte sich die auf Seiten des Klägers eröffnete Perspektive nicht auf die übermittelten Aufzeichnungen. Dem Kläger war bekannt, dass man die Schäden im rechten Knie nicht schon kurzfristig nach dem Unfall vom 23.02.2007 bildgebend befundet, sondern insoweit erst am 8.03.2007 ein MRT gefertigt hatte, ohne dass dieses dann jedoch Anlass genommen worden wäre, die Operationen durchzuführen, die nachfolgend anderweit erfolgen mussten. Genauso sah der Kläger, dass man auf Beklagtenseite nach den ambulanten Vorstellungen vom 19.04.2007 und vom 5.03.2008 in Verkennung der Verhältnisse von der ordnungsgemäßen Heilung der Femurfraktur ausgegangen war; denn es kam nämlich zu Instabilitäten, die am 31.03.2008 und am 12.01.2009 Revisionseingriffe erforderlich machten.

Im Hinblick darauf hatte der Kläger spätestens im Jahr 2009 Kenntnis von Umständen, die ärztliche Versäumnisse und Fehleinschätzungen im Haus der Beklagten dringlich nahelegten. Man hatte dort auf wichtige diagnostische Erhebungen verzichtet und operative Maßnahmen unterlassen, die sich wenig später als notwendig erwiesen.

Vor diesem Hintergrund wäre der Kläger im Jahr 2009 ebenso gut wie heute in der Lage gewesen, eine Feststellungsklage gegen die Beklagten zu erheben. Sein Erkenntnisstand verbesserte sich im Nachhinein nur insoweit, als 2010 eine Hüftprothese implantiert wurde. Das war jedoch ein bloßer Zusatzschaden, dessen Eintritt verjährungsrechtlich ohne Gewicht ist, weil die subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 BGB nicht hinsichtlich des gesamten Schadensbildes vorzuliegen brauchen. Ungewissheiten über die Höhe und den Umfang des Schadens schließen den Beginn der Verjährung nicht aus (BGH NJW 2011, 1799).

Damit lief die gesetzliche Verjährungsfrist jedenfalls Ende 2012 ab. Verhandlungen, die ihren Fortgang hätten hemmen können, sind weder dargetan noch sonst erkennbar. Der – schließlich bis zum 30.06.20013 erstreckte – Einredeverzicht des Haftpflichtversicherers bedeutete nur, dass dem Kläger innerhalb des so ausgedehnten Zeitrahmens die ungehinderte gerichtliche Geltendmachung seiner Ansprüche eröffnet war, weil der Verjährungseinwand insoweit treuwidrig gewesen wäre (Peters/Jacoby in Staudinger, BGB, 2014, § 214 Rn. 22, 24). Eine Klage musste dann freilich rasch – nämlich grundsätzlich maximal binnen sechs Wochen (BGH NJW 1991, 975; Peters/Jacoby, a.a.O. Rn. 25) – erhoben werden. Das ist jedoch nicht geschehen. Zwar wurde die Klageschrift am 28.06.2013 eingereicht. Aber ihre Zustellung datiert erst vom 4.10.2013, nachdem der dieserhalb am 1.07.2013 angeforderte Vorschuss lediglich am 2.10.2013 eingezahlt wurde. Sie war damit auch dann deutlich verspätet, wenn man das vorgenannte sechswöchige Zeitfenster mit Blick auf § 167 ZPO um 14 Tage vergrößert (vgl. dazu Greger in Zöller, ZPO, 30. Aufl., § 167 Rn. 11).“

Der Schriftsatz des Klägers vom 23.02.2015 gibt keine hinreichende Veranlassung zu einer abweichenden Beurteilung der Verhältnisse. Die Klage wirft den Beklagten eine mangelhafte und unzulängliche operative Versorgung im Anschluss an das Unfallereignis vom 23.02.2007 sowie nachfolgende Fehldiagnosen vor. Dazu wird auf die Notwendigkeit anderweitiger Revisionseingriffe in 2007, 2008 und 2009 und die dabei gewonnenen Einblicke hingewiesen.

Die Erkenntnisse, die daraus zur Anspruchsbegründung hergeleitet werden, waren damit vor Beginn des Jahres 2010 vorhanden. Ob sich daraus seinerzeit schon das positive Bewusstsein entwickelt hatte, dass die Beklagten Schadensersatz schuldeten, ist ohne Belang; denn eine entsprechende Haftung musste damals aus der Klägersicht jedenfalls dringlich nahe liegen.

Rechtsmittelstreitwert: 58.000 €

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